Die Keramik
von Bernadette Baumgartner, ist eine meditative Keramik, die nicht schnell
gese-hen werden will. Ihre Einfachheit beruht
nicht auf Verzicht, sondern auf
Bedürfnislosigkeit, die der geistigen Kultur Indiens entstammt.
Die Schriften, die Bernadette Baumgartner auf ihren Keramiken aufbringt,
sind keine Weisheiten der Bibel, des Talmuds, des Korans oder Maos. Es sind
einfache Wahrheiten einer unkompli- zierten Welterfahrung. „Verborgen in der Schwäche
des Hoch-Muts singt die De-Mut ihr kleines Lied.“
Bernadette
Baumgartner hat in Indien eine Welt kennen gelernt die ganz anders angelegt
ist als unsere. Von ihrer Anziehungskraft
beeindruckt, blieb sie mehrer
Monate im Land. Sie war in Südostindien in Tiruvannamalai, bestieg den
heiligen Berg Arunachala und
suchte mehrmals die Höhlen auf, in denen Sri Ramana Maharshi gelebt hatte. Der Aufenthalt im Ashram von Ramana hat sie
tief
beeindruckt. Zu Ramana, der von 1879 bis 1950 lebte, pilgerten ein
halbes Jahrhundert lang Tausende aus allen Himmelsrichtungen,
um an seiner
Weisheit teilzuhaben. Bernadette Baumgartner fand in einer Buchhandlung auf
einem Buchumschlag sein Bild, und der
Ausdruck seines Gesichts hat sie so
fasziniert, dass sie das Buch kaufte, ohne eine Ahnung zu haben, was darin
stand. Als sie es
dann las, fand sie darin das Advaita Vedanta beschrieben,
eine indische Philosophie, in der sie ihre geahnte Weisheit fand.
Nach Europa
zurückgekehrt, versucht sie nun das, was sie erfahren hat und was sie als
innere Wahrheit empfindet, in unserer Welt
festzuhalten. Schon als
Sechzehnjährige, als sie in Brüssel, um Französisch zu lernen, in einem
Kloster untergebracht war, war sie
dermaßen fasziniert von der Mystik, dass
sie den Wunsch hegte, in diesem Kloster Nonne zu werden. Danach allerdings
gab sie sich
voll hin in die Flower-power-hippy-Zeit, war störrisch und
aufmüpfig und sehr selbständig. „Ich wollte nicht den von meinen Eltern
vorgeschlagenen Beruf einer Kindergärtnerin erlernen“, sagt sie. Sie
arbeitete als Au Pair in London, bereiste dann Mexiko, die USA
und
Südamerika, trampte von Zürich nach New Delhi und verdiente ihr Geld in
Europa, Afrika und der Karibik als Reiseleiterin.
1981 begegnete
sie zum ersten Mal der Keramik und begann als Autodidaktin zu töpfern. Zwei
Jahre später eröffnete sie eine Boutique
mit Geschenkartikeln und
angegliederter Töpferei. Sie war so begeistert, dass sie sich an der
Kunstgewerbeschule in Zürich und an
der Schule für Gestaltung in Bern
weiterbildete. 1987 hat sie das Töpfern zu ihrem Vollzeitberuf gemacht und
arbeitete bis 1991 in der
eigenen Werkstatt in Meierskappel. 1992 bis 2000
war sie in Büron als Töpferin tätig bevor sie 2001 die Galerie und Töpferei
ARTHA in
Geuensee eröffnete.
Das
Sanskrit-Wort ERTHA = Erde, das in Indien in dem Wort ARTHA weiterlebt,
bedeutet Reichtum und Überfluss der Erde. Das ist ein
Kern ihres Denkens. Reichtum der Erde,
Reichtum in der Mäßigung. Reichtum auch in der eigenen Erfahrung – der
Ordnung, des
Grauens, der Schönheit oder auch nur eines überschwänglichen
Gefühls. Und weil diese Erfahrungen bei ihr Tiefe und
Tragweite
besitzen, haben ihre Mitteilungen den Wert und die Kraft, die einen tiefsitzenden Respekt erfordern. Von denjenigen
jedenfalls,
die sich davon
betroffen fühlen, weil sie sich darin wieder erkennen.
Die Schriften
auf ihrer Keramik empfindet man als etwas Kostbares. Oft ist es eine frische
Lebensweisheit, oft etwas Geheimnisvolles.
Öffnet man eine der großen Dosen
mit dem metallenen Griff, sieht man auf dem Grund eine Schrift, die man gar
nicht richtig erlesen kann.
Sie bleibt rätselhaft, unausgesprochen, nur
geahnt, von Vernunftbegriffen unerreichbar. Es kommt dann dazu, dass sich
nach der
indischen Philosophie aus der Leere und dem Schweigen das Licht
offenbart. Ein Vorgang, den man konkret in der Evolution findet.
Shakespeare
definierte in „Hamlet“ (III,2 in der Übersetzung von Schlegel) Kunst als
Ausgabe, „der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten“. Solche symbolhafte
Absichten finden sich auch in Bernadette Baumgartners Arbeiten. „Es gibt
Vieles, das sich nicht aussprechen, aber schreiben lässt. "Noch mehr gibt
es“, sagt sie, „dass man weder aussprechen noch schreiben kann.“
Schwarze Dosen
mit einem Gesicht auf dem Deckel tragen Schriftzeichen, oft frei erfundene.
Und wenn man den Deckel öffnet, hat er eine
nach unten gehende Spitze und
will sagen: „wenn Du höher willst, musst Du in die Tiefe gehen.“ Das Streben
nach Höherem ist die Kraft,
die Kulturen motiviert, baut und verwandelt. Das
Quadrat ist das Symbol der Erde, des Tones. Quadratische Dosen kommen oft
vor in ihrem Schaffen. „Das unbekannte Etwas“, sagt sie, zeigt sich in der
stillen Leere“.
Anlässlich
einer Ausstellung in Zürich findet sich im Gästebuch folgender Eintrag: “Man
muss genauer hinschauen, auf den Grund. Dann
erst geht die Sonne auf. Noch
nie habe ich Derartiges gesehen. Und es geht mir nahe.“ Das, meint sie,
treffe genau das, was sie sagen
und bezwecken will. Und sie meint es nicht
aus Kalkül, sondern aus Intuition. So, wie ihr die Gedanken kommen. Sie
nennt es „Weisheit
der Seele“ und schreibt in ihrem Büchlein „Duft der
Erde“: "Wie oft schon ließ ich mich von ausstehenden
Entscheidungen quälen. Der
Verstand lief auf Hochtouren, die Gedanken
rasten, drehten und kreisten, raubten den Schlaf und wollten sich nicht
bremsen lassen,
wurden zu gnadenlosen Terroristen. Es wäre so einfach, könnte ich meine Achtsamkeit
auf den allerersten Gedanken richten, denn der
allererste Gedanke entsteigt
der Seele, heißt Intuition und weiß die richtige Lösung. Dann kommt sofort
der Verstand, übertönt die leise
Stimme meines Innern und stiftet
Verwirrung, denn er liebt das Argumentieren und das Vergleichen. Er gibt
sich nicht zufrieden mit der
Antwort der Seele, hat er doch Angst, er könnte
sich falsch entscheiden und vielleicht etwas verpassen. In seiner Furcht
verrennt er sich
immer mehr in das Entweder/Oder und weiß am Ende überhaupt
nicht mehr was er will. Wäre ich fähig, die Botschaften der inneren
Weisheit
zu entschlüsseln, würde das Notwendige intuitiv aus mir herausfliessen. Meiner Seele würden Flügel wachsen und ich wäre befreit vom
täglichen Chaos mit mir selbst und meinen Mitmenschen. Unter einer dicken
Gedankenstaubschicht liegt sie begraben, die Intuition und
wartet auf
geeignete Bedingungen um aktiv zu werden. Das Loslassen, das Leer- und
Stillsein ist Voraussetzung dafür, dass sie aus der Dunkelheit auftaucht und
mit ihrem hellen Schein die Einfachheit des Lebens zeigt".
Die Suche nach Leben im Einklang mit sich
selbst, mit seiner Kultur, mit dem All, dem ehrfurchtgebietenden letzten
Geheimnis, fasst das
Gehirn als Suche nach Sinn auf. Bernadette Baumgartner
bezieht es auf ihre Kreativität: “Solange ich anwesend bin und mir bei der
Arbeit
kritisch über die Schulter schaue, solange hält sich die Kreativität
zurück, denn sie mag es überhaupt nicht, wenn der Verstand kommentiert,
wertet und analysiert. Sie verabscheut den Anspruch, gefällige Dinge
herzustellen und verspottet meine Furcht vor dem Urteil der anderen.“
Gustav Weiss, Berlin 2001
www.gustav-weiss.de
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