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update: 11.02.2020
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© artha 2001

 
 
 
                     

Schrift in einer Form, die das Lesen erschwert, kennt man als Spiegelschrift Leonardo da Vincis und als Inschriften auf Jugendstilwerken. Man möchte sich eigentlich nicht gern damit zufrieden geben, dass sie bei Leonardo lediglich auf seine Linkshändigkeit zurückzuführen sei. Im Jugend-stil ist es offenkundig, dass das Lesen tiefsinniger Inschriften nicht schnellen Wahrnehmungen ausgeliefert sein sollte. Wer im Platanenhain auf der Mathildenhöhe in Darmstadt die Jugendstil-Wände mit ihren Inschriften kennt, findet diese Absicht bestätigt


 

Die Keramik von Bernadette Baumgartner, ist eine meditative Keramik, die nicht schnell gese-hen werden will. Ihre Einfachheit beruht nicht auf Verzicht, sondern auf Bedürfnislosigkeit, die der geistigen Kultur Indiens entstammt.

Die Schriften, die Bernadette Baumgartner auf ihren Keramiken aufbringt, sind keine Weisheiten der Bibel, des Talmuds, des Korans oder Maos. Es sind einfache Wahrheiten einer unkompli- zierten Welterfahrung. „Verborgen in der Schwäche des Hoch-Muts singt die De-Mut ihr kleines Lied.“

Bernadette Baumgartner hat in Indien eine Welt kennen gelernt die ganz anders angelegt ist als unsere. Von ihrer Anziehungskraft beeindruckt, blieb sie mehrer Monate im Land. Sie war in Südostindien in Tiruvannamalai, bestieg den heiligen Berg Arunachala und suchte mehrmals die Höhlen auf, in denen Sri Ramana Maharshi gelebt hatte. Der Aufenthalt im Ashram von Ramana hat sie tief beeindruckt. Zu Ramana, der von 1879 bis 1950 lebte, pilgerten ein halbes Jahrhundert lang Tausende aus allen Himmelsrichtungen, um an seiner Weisheit teilzuhaben. Bernadette Baumgartner fand in einer Buchhandlung auf einem Buchumschlag sein Bild, und der Ausdruck seines Gesichts hat sie so fasziniert, dass sie das Buch kaufte, ohne eine Ahnung zu haben, was darin stand. Als sie es dann las, fand sie darin das Advaita Vedanta beschrieben, eine indische Philosophie, in der sie ihre geahnte Weisheit fand.

Nach Europa zurückgekehrt, versucht sie nun das, was sie erfahren hat und was sie als innere Wahrheit empfindet, in unserer Welt festzuhalten. Schon als Sechzehnjährige, als sie in Brüssel, um Französisch zu lernen, in einem Kloster untergebracht war, war sie dermaßen fasziniert von der Mystik, dass sie den Wunsch hegte, in diesem Kloster Nonne zu werden. Danach allerdings gab sie sich voll hin in die Flower-power-hippy-Zeit, war störrisch und aufmüpfig und sehr selbständig. „Ich wollte nicht den von meinen Eltern vorgeschlagenen Beruf einer Kindergärtnerin erlernen“, sagt sie. Sie arbeitete als Au Pair in London, bereiste dann Mexiko, die USA und Südamerika, trampte von Zürich nach New Delhi und verdiente ihr Geld in Europa, Afrika und der Karibik als Reiseleiterin.

1981 begegnete sie zum ersten Mal der Keramik und begann als Autodidaktin zu töpfern. Zwei Jahre später eröffnete sie eine Boutique mit Geschenkartikeln und angegliederter  Töpferei. Sie war so begeistert, dass sie sich an der Kunstgewerbeschule in Zürich und an der Schule für Gestaltung in Bern weiterbildete. 1987 hat sie das Töpfern zu ihrem Vollzeitberuf gemacht und arbeitete bis 1991 in der eigenen Werkstatt in Meierskappel. 1992 bis 2000 war sie in Büron als Töpferin tätig bevor sie 2001 die Galerie und Töpferei ARTHA in Geuensee eröffnete.

Das Sanskrit-Wort ERTHA = Erde, das in Indien in dem Wort ARTHA weiterlebt, bedeutet Reichtum und Überfluss der Erde. Das ist ein Kern ihres Denkens. Reichtum der Erde, Reichtum in der Mäßigung. Reichtum auch in der eigenen Erfahrung – der Ordnung, des Grauens, der Schönheit oder auch nur eines überschwänglichen Gefühls. Und weil diese Erfahrungen bei ihr Tiefe und Tragweite besitzen, haben ihre Mitteilungen den Wert und die Kraft, die einen tiefsitzenden Respekt erfordern. Von denjenigen jedenfalls, die sich davon betroffen fühlen, weil sie sich darin wieder erkennen.

Die Schriften auf ihrer Keramik empfindet man als etwas Kostbares. Oft ist es eine frische Lebensweisheit, oft etwas Geheimnisvolles. Öffnet man eine der großen Dosen mit dem metallenen Griff, sieht man auf dem Grund eine Schrift, die man gar nicht richtig erlesen kann. Sie bleibt rätselhaft, unausgesprochen, nur geahnt, von Vernunftbegriffen unerreichbar. Es kommt dann dazu, dass sich nach der indischen Philosophie aus der Leere und dem Schweigen das Licht offenbart. Ein Vorgang, den man konkret in der Evolution findet. Shakespeare definierte in „Hamlet“ (III,2 in der Übersetzung von Schlegel) Kunst als Ausgabe, „der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten“. Solche symbolhafte Absichten finden sich auch in Bernadette Baumgartners Arbeiten. „Es gibt Vieles, das sich nicht aussprechen, aber schreiben lässt. "Noch mehr gibt es“, sagt sie, „dass man weder aussprechen noch schreiben kann.“

Schwarze Dosen mit einem Gesicht auf dem Deckel tragen Schriftzeichen, oft frei erfundene. Und wenn man den Deckel öffnet, hat er eine nach unten gehende Spitze und will sagen: „wenn Du höher willst, musst Du in die Tiefe gehen.“ Das Streben nach Höherem ist die Kraft, die Kulturen motiviert, baut und verwandelt. Das Quadrat ist das Symbol der Erde, des Tones. Quadratische Dosen kommen oft vor in ihrem Schaffen. „Das unbekannte Etwas“, sagt sie, zeigt sich in der stillen Leere“.

Anlässlich einer Ausstellung in Zürich findet sich im Gästebuch folgender Eintrag: “Man muss genauer hinschauen, auf den Grund. Dann erst geht die Sonne auf. Noch nie habe ich Derartiges gesehen. Und es geht mir nahe.“ Das, meint sie, treffe genau das, was sie sagen und bezwecken will. Und sie meint es nicht aus Kalkül, sondern aus Intuition. So, wie ihr die Gedanken kommen. Sie nennt es „Weisheit der Seele“ und schreibt in ihrem Büchlein „Duft der Erde“: "Wie oft schon ließ ich mich von ausstehenden Entscheidungen quälen. Der Verstand lief auf Hochtouren, die Gedanken rasten, drehten und kreisten, raubten den Schlaf und wollten sich nicht bremsen lassen, wurden zu gnadenlosen Terroristen. Es wäre so einfach, könnte ich meine Achtsamkeit auf den allerersten Gedanken richten, denn der allererste Gedanke entsteigt der Seele, heißt Intuition und weiß die richtige Lösung. Dann kommt sofort der Verstand, übertönt die leise Stimme meines Innern und stiftet Verwirrung, denn er liebt das Argumentieren und das Vergleichen. Er gibt sich nicht zufrieden mit der Antwort der Seele, hat er doch Angst, er könnte sich falsch entscheiden und vielleicht etwas verpassen. In seiner Furcht verrennt er sich immer mehr in das Entweder/Oder und weiß am Ende überhaupt nicht mehr was er will. Wäre ich fähig, die Botschaften der inneren Weisheit zu entschlüsseln, würde das Notwendige intuitiv aus mir herausfliessen. Meiner Seele würden Flügel wachsen und ich wäre befreit vom täglichen Chaos mit mir selbst und meinen Mitmenschen. Unter einer dicken Gedankenstaubschicht liegt sie begraben, die Intuition und wartet auf geeignete Bedingungen um aktiv zu werden. Das Loslassen, das Leer- und Stillsein ist Voraussetzung dafür, dass sie aus der Dunkelheit auftaucht und mit ihrem hellen Schein die Einfachheit des Lebens zeigt".

Die Suche nach Leben im Einklang mit sich selbst, mit seiner Kultur, mit dem All, dem ehrfurchtgebietenden letzten Geheimnis, fasst das Gehirn als Suche nach Sinn auf. Bernadette Baumgartner bezieht es auf ihre Kreativität: “Solange ich anwesend bin und mir bei der Arbeit kritisch über die Schulter schaue, solange hält sich die Kreativität zurück, denn sie mag es überhaupt nicht, wenn der Verstand kommentiert, wertet und analysiert. Sie verabscheut den Anspruch, gefällige Dinge herzustellen und verspottet meine Furcht vor dem Urteil der anderen.“

Gustav Weiss, Berlin 2001   
www.gustav-weiss.de                                                
                                    

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